Nach Corona ist vor Corona?
Keine Krise hat unsere Arbeitswelt so grundlegend verändert wie Corona. Das böse „H“ Wort Home Office entwickelte sich innerhalb weniger Tage vom Schreckgespenst zur Wunderwaffe gegen die anstehenden Herausforderungen und als Überlebenselixier gegen den totalen Stillstand.
Unternehmen, die sich seit Jahren gegen eine derartige Regelung sperrten, oder dieser eher skeptisch gegenüberstanden, sahen sich plötzlich gezwungen hier tätig zu werden und Remote Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Doch wie wird es nun weitergehen?
Das Echo ist geteilt. Während die Einen jubeln und sich über die größere Flexibilität freuen, befürchten die Anderen den Untergang des Büroalltages wie wir ihn bisher kannten. Und auch seitens der Regierung gibt es mittlerweile Bestrebungen, das „Recht auf Home Office“ ins Gesetz zu schreiben.
Die Zeit nach Corona wird also geprägt sein von Debatten, Studien, Fallzahlen, Statistiken und hunderter „Expertenpodcasts“ die sich mit Sinn oder Unsinn einer Heimarbeitsregel auseinandersetzen. Fakt ist aber, auch bedingt durch evtl. zurückkehrende Maßnahmen der Corona Pandemie: Home Office, und damit der digitale Arbeitsplatz, ist endgültig angekommen und wird auch bleiben – ob es uns nun gefällt oder nicht.
In dieser Debatte ist es wichtig, sich einmal Vor- und Nachteile vor Augen zu führen. Die Vorteile liegen auf der Hand, der Mitarbeiter kann entspannt, ohne nervenaufreibenden Berufsverkehr seine Arbeit aufnehmen, kann von überall auf seinen Account zugreifen, kann sich seine Arbeitszeit viel flexibler einteilen und sich dem Arbeitsaufkommen anpassen. Anstatt der üblichen 9-5 Regelung kann man hier genug Freiraum und Unterbrechungen schaffen um z.B. die Konferenzschaltung mit den USA um 19:00 Uhr mitzunehmen oder die gewöhnlich abends eintreffenden Bestellungen aus dem Ausland abarbeiten, ohne aber die Tagesarbeitszeit zu sprengen und den Überstundenzähler zur Kernschmelze zu bringen. Darüber hinaus sollte man ganz besonders das Wegfallen des Arbeitsweges nicht unterschätzen. Wie oft kommen gestresste Mitarbeiter ins Büro, völlig genervt von vollgestopften Zügen, kilometerlangen Staus oder verspäteten Bussen, wie lange dauert es wohl, bis dieser Mitarbeiter endgültig an seinem Schreibtisch angekommen ist und sich auf seine Arbeit konzentrieren kann? Außerdem trägt jedes wegfallende Auto, jeder fehlende Pendler dazu bei, dass wir unseren Co2 Ausstoß reduzieren können, oder das Problem der überfüllten Züge, Busse und Bahnen in den Griff bekommen. Jedes stehengelassene Auto produziert kein Co2, jeder Pendler weniger benötigt einen Sitzplatz weniger. Auf diesen Aspekt werde ich aber in einem späteren Blog genauer eingehen. Soviel aber erst einmal zu den Vorteilen.
Auf der anderen Seite stehen u.a. die Befürchtungen der zunehmenden „Verschmelzung“ von Beruf und Privatleben, Wildwuchs an Überstunden und Verlust der sozialen Kontakte. Ebenso gewichtige Argumente die man nicht von der Hand weisen sollte. Natürlich besteht hier die Gefahr, dass es zu keiner klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit kommen kann, sei es durch keinen klar abgetrennten Arbeitsbereich oder der fehlenden Selbstdisziplin, das Laptop einfach zuzuklappen und in den Feierabend zu gehen – es könnte ja noch eine wichtige E-Mail gekommen sein oder die langerwartete Bestellung ist endlich eingetroffen.
Die Diskussion über Sinn und Unsinn einer Heimarbeitsregel wird uns noch eine lange Zeit begleiten, bereits jetzt melden sich die ersten „Experten“ aus beiden Lagern in diversen Medien zu Wort.
Gibt es überhaupt ein „richtig“ und „falsch“ in diesem Zusammenhang? Ich denke nein, jedes Unternehmen, jeder Mitarbeiter ist so individuell, dass wir keine pauschalen Aussagen treffen können und dürfen. Wichtig ist es hier einen Schritt zurück vom Flipchart zu machen und sich zuerst einmal das bisher gewesene und die Ideen für die Weiterführung anzuschauen.
- Was lief gut, was lief mäßig und was hakelte?
- Wie war das Feedback der Mitarbeiter?
- Wie ist das Feedback unserer IT?
- Reicht unsere vorhandene Infrastruktur aus? Haben wir evtl. Änderungen und Anpassungen adäquat durchgeführt oder müssen wir hier ggfs. Nachjustieren?
- Gibt es Bedenken seitens HR bzgl. der Arbeitszeiterfassung, Ruhezeiten und Überstundenregelungen?
- Gibt es rechtliche Stolperfallen oder Grundlagen, die es zu beachten gilt?
Natürlich gibt es darüber hinaus auch den Faktor der Produktivität.
- Wie kann ich diese aus dem heimischen Büro messbar machen?
- Arbeiten meine Mitarbeiter ebenso konzentriert und motiviert?
- Wie erkenne ich die „schwarzen Schafe“?
All das spiegelt nur einen kleinen Teil der zu berücksichtigen Faktoren wider. Es zeichnet sich aber bereits deutlich ab, dass eine Home Office-Regelung mehr als nur technischer Voraussetzungen bedarf. Dieses gepaart mit der aktuell aufkeimenden, öffentlichen Diskussion, geführt von lautstarken „Experten“ mit allerhand Tipps und Ratschlägen, sorgt für zusätzliche Verwirrung. Jedes Magazin, jedes Portal glaubt die Lösung gefunden zu haben – STOP und Kommando zurück sollte hier das Motto sein.
Sicherlich ist es hilfreich, verschiedene Ansichten und Meinungen einzuholen, aber was trifft letztendlich auf mein Unternehmen zu? Diese Frage wird sich auf kurz oder lang jeder Unternehmer stellen müssen und Antworten hierauf gibt es wie Sand am Meer – nur welche passt?
Hier empfiehlt es sich, einmal ernsthaft über eine externe Organisationsberatung nachzudenken. Grundlegende Entscheidungen bedürfen einer sorgfältigen Prüfung und individueller Betrachtung, was für „A“ sehr gut funktioniert, kann für „B“ genau der falsche Weg sein, und genau hier setzt eine Organisationsberatung an. Externe Berater erstellen eine neutrale Übersicht der momentanen Situation, der Ideen und Möglichkeiten aber auch der Vorurteile, Ängste und Sorgen, ohne firmeninterne Brille. Manchmal muss es eben der ungeschönte Blick von außen sein. Mit Hilfe von Mitarbeiterinterviews aus allen Bereichen, Workshops und einem offenen Austausch zwischen den Abteilungen und Verantwortlichen kann ein gemeinsamer Plan zur erfolgreichen Umsetzung einer Heimarbeitsregel erfolgen.
Veränderung dieses Ausmaßes sollten immer akribisch geplant und individualisiert werden. Wichtig sind dabei gemeinsame Ziele, Parameter und Milestones festzusetzen – nur so kann ein vertrauensvolles Miteinander erreicht werden. Die langsamen Corona Lockerungen sollten nun dafür genutzt werden nicht nur ein weiteres Notfallkonzept zu erstellen, sondern auch die Rahmenbedingungen für flexiblere Arbeitszeiten und Home Office zu erstellen, und die vorhandene Infrastruktur zu analysieren sowie anzupassen.
In diesem Sinne hoffe ich, das die Arbeitswelt „nach Corona“ anders aussehen wird, moderner, flexibler und vor allem menschlicher. Digitalisierung bedeutet nicht gleich eine Abkehr vom zwischenmenschlichen Miteinander, sie kann auch eine Chance sein unseren Arbeitsalltag gemeinsam mit den Mitarbeitern anzupassen, an unsere Bedürfnisse aber auch äußerliche Anforderungen. Wenn Corona uns eines gelehrt hat, dann dass wir immer auf das unvorhergesehene vorbereitet sei müssen, und nichts und niemanden als selbstverständlich nehmen dürfen – nur deshalb hat es uns mit einer solchen Wucht getroffen. Lassen sie es uns gemeinsam in der Zukunft besser machen.